„Plastikmusik“

Das hat man schon erlebt: Man geht mit Freunden in ein

nettes, kleines Restaurant und freut sich auf eine angenehme

Unterhaltung bei gutem Essen. Aber diese Hoffnung erfüllt sich

nicht: Das Essen mag zwar gut sein, aber zur Unterhaltung kommt

es nicht, denn Musik aus Lautsprechern erfüllt den ganzen Raum;

nicht sehr laut, aber doch so, dass Gespräche mühsam werden.

Und bald wird es kaum mehr ein Restaurant ohne Musik geben.

Denn Musik ist allgegenwärtig geworden und dient dazu, den

Gewinn1 zu steigern. Die ganze Industrie lebt davon, nach

sorgfältig überlegten Methoden Musik zusammenzustellen: Musik

für Kaufhäuser, die den Umsatz steigert;/Musik für Büros, die den

Arbeitseifer erhöht; Musik für Flughäfen, Bahnhöfe und Hotels, die

angeblich beruhigend wirkt. Es soll sogar schon Musik für

Kuhställe geben, die die Milchproduktion fördert.

Trotz unterschiedlicher Funktionen haben alle diese Musiksorten

einige gemeinsame Eigenschaften: auf Extreme und

Kontraste in jeder Form wird bewusst verzichtet; die Musik hat

gleich bleibende Lautstärke und vermeidet2 plötzliche Akzente,

besonders hohe oder tiefe Töne und meist auch den Einsatz der

menschlichen Stimme. Jahrhundertelang wurde Musik gemacht,

um gehört zu werden. Jetzt soll sie nur noch einen freundlichen

Klanghintergrund schaffen: sozusagen „Plastikmusik“ — 'wie industriell

gefertigte Plastikprodukte, deren einzelne Stücke kaum noch

zu unterscheiden sind.

ВО

0224n 0224n    2   14.05.2020 15:28    5

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