Ich spraye, also bin ich Paul ärgert sich heute noch, dass er nicht zurück in den U-Bahn-Tunnel flüchtete. Der 19-Jährige hatte den Streifenwagen ja gesehen. Doch rannte er über die Kreuzung in Berlin-Kreuzberg. Seine Hände rochen noch nach Farbe, als ihm die Polizisten Handschellen anlegten. Paul war 18 Jahre alt und hatte gerade eine U-Bahn «gebombt», so nennen es die Sprayer, wenn sie ihre Bilder an illegalen Stellen hinterlassen. Paul hatte einen Waggon 45 Minuten lang bearbeitet. Sorgfältig hatte er mit grüner und weißer Farbe einen grimmigen Comic-Polizisten gemalt. Das war vor einem Jahr. Wenn Paul nachmittags in einem Café sitzt, wirkt er wie ein ganz normaler Schüler, der gerade sein Abitur macht. Nur kleine Farbspritzer auf Kapuzenpulli verraten etwas über sein Nachtleben. Vor drei Jahren zog Paul zum ersten Mal los, um seine Sprayerkunst zu verbreiten. Bald lernte er die Sprüher aus dem «Stadt-Mitte-Club», kurz SMC, kennen. Mit den befreundeten Sprayern beobachtet Paul nachts Bahnhöfe, diskutiert über Malstile und Techniken. Vor dem Gesetz gilt Paul als Krimineller. Seit 2005 verfolgt man Sprayer in Berlin rechtlich, sie können bis zu zwei Jahren ins Gefängnis kommen. Das hat den «Farbvandalismus» bisher nicht verringert. Kein Wunder, liegt doch der Reiz gerade darin, etwas Verbotenes zu tun und schlauer zu sein als die Polizei. Die Stadt Berlin kostet das Katz-und-Maus-Spiel mit den Sprayern viel Geld: 50 Millionen Euro pro Jahr gibt die Stadt für Graffiti-Bekämpfung aus. Jährlich tagt ein internationaler Anti-Graffiti-Kongress im Rathaus. Die deutschen Sprayer befürchten nun, dass sich Berlin an New York ein Beispiel nehmen kann. Dort dürfen Jugendliche unter 21 keine Sprühdosen oder breite Filzmarker mehr besitzen. Paul beteiligt sich nicht an Aktionen. Für ihn hat Graffiti wenig mit Politik zu tun. Nach seinem Abi wird er sich noch ein paar Monate seinem Hobby widmen, danach vielleicht Zivildienst in Südamerika machen, später irgendwas studieren.