Das bürgerliche Streitverfahren und der Strafprozess
Der Zivilprozess ist das gerichtliche Verfahren zur Verwirklichung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche, also das bürgerlichßrechtliche (im Gegensatz zu dem öffentlich-rechtlichen) Streitverfahren. Im Zivilprozess streiten zwei oder mehrere Parteien, der Kläger und der Beklagte. Auf jeder Stufe des Verfahrens werden die beiderseitigen Rechte und Pflichten durch eine Fülle von Verfahrensvorschriften genau festgelegt.
Im sogenannten Erkenntnisverfahren entscheidet das Gericht über das Bestehen eines Anspruchs oder ein sonstiges Rechtsbegehren (z.B. Ehescheidung, Auflösung einer GmbH). Das Verfahren wird durch Klage (im Urteilsverfahren) oder durch einen Antrag (z.B. auf Erlass eines Mahnbescheides, Ehescheidung) eingeleitet und von Parteien (Kläger und Beklagter) betrieben. Es endet – gegebenfalls nach Durchlaufen von zwei oder mehr Instanzen – durch gerichtliches Urteil oder eine diesem gleichstehende Entscheidung (z.B. Vollstreckungsbescheid).
Ein anderer Ausgang des Zivilprozesses ist möglich, wenn ein Prozessvergleich geschlossen oder die Klage zurückgenommen wird. Nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung kann sich das Vollstreckungsverfahren anschließen, in dem der festgelegte Anspruch vom Gläubiger durchgesetzt wird.
Im Gegensatz zum Zivilprozess geht es im Strafprozess um die Durchsetzung von öffentlich-rechnliche Ansprüchen, nämlich des staatlichen Strafanspruchs. Im Strafprozess stehen sich nicht gleichberechnigte Prozessparteien gegenüber, sondern der mutmaßliche Straftäter einerseits und das Gericht sowie die Staatsanwaltschaft andererseits.
Sobald der Verdacht einer strafbaren Handlung besteht, setzt die Strafverfolgung von Amts wegen ein. Nur in bestimmten Ausnahmefällen ist es erforderlich, dass der Verletzte selbst einen Strafantrag stellt (z.B. bei Beleidigung oder Körperverletzung) oder Privatklage erhebt. Gewöhnlich wird die Strafverfolgung durch eine Strafanzeige eingeleitet, die jedermann bei der Polizei, beim Amtsgericht oder bei der Staatsanwaltschaft erstatten kann.
In dem nun folgenden Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt zu erforschen, d.h. Spuren zu sichern, Zeugen zu befragen, den Beschuldigten zu vernehmen und auf diese Weise Belastungs- oder Entlastungsmaterial zusammentztragen. Dabei verdient sie meist der Hilfe der Polizei. Falls sich aus den Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergibt, erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage durch Einreichung einer Anklageschrift beim zuständigen Gericht. Mit der Erhebung der öffentlichen Klage wird der „Beschuldigte“ zum „Angeschuldigten“.
In dem nun einsetzenden zweiten Abschnitt des Verfahrens prüft das Gericht, ob die Verdachtsmomente ausreichen, um das Hauptverfahren zu eröffnen. Er teilt dem Angeschuldigten die Anklageschrift mit und gibt ihm Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Nur wenn das Gericht zu der Einsicht kommt, dass mit einer Verurteilung zu rechnen ist, beschließt es die Eröffnung des Hauptverfahrens. Der „Angeschuldigte“ wird zum „Angeklagten“.
In der Hauptverhandlung untersucht das Gericht, ob der Angeklagte einer Straftat schuldig ist. Der Angeklagte kann sich dabei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Nach der Beweisaufnahme halten Staatsanwalt und Verteidiger ihre Schlussvorträge. Das letzte Wort hat der Angeklagte. Nach geheimer Beratung verkündet der Vorsitzende des Gerichts das Urteil, das auf Verurteilung oder Freispruch lauten kann. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Einstellung des Verfahrens möglich.
Wird gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt, so schließt sich nun mehr das Rechtsmittelverfahren (Berufung, Revision) an. Auch das Rechtsmittelverfahren ist noch Teil des Hauptverfahrens, das erst mit dem rechtskräftigen Urteil endet. Nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung findet im Falle der Verurteilung das Vollstreckungsverfahren statt, in dem die Geldstrafe betrieben wird oder der Verurteilte in eine Strafanstalt eingewiesen wird.